
Samstag keine Praxis – ein Tag ohne Corona?
Schon beim Frühstück schickt mir eine liebe, beunruhigte Freundin einen Videoaufruf von einer Deutschen in Italien, die inständig an die Vernunft der Deutschen appelliert, die Corona-Bedrohung ernst zu nehmen. Sie sagt unter anderem: „Die sterben hier wie die Fliegen.“ Leider ist alles wahr, was diese Frau sagt. Ich hoffe, es hören auch diejenige, die das alles noch nicht wirklich ernst nehmen.
Der Gedanke, wir Ärzte müssen entscheiden, wer behandelt wird und wer nicht, ist das Schlimmste, was ich mir überhaupt vorstellen kann. Es gibt Momente in jeder Arztkarriere, die man nie vergisst. Ich hoffe, kein Arzt muss solch eine Entscheidung treffen. Ich befürchte aber, das wird auch bei uns nicht zu umgehen sein. Alle nur erdenklichen Anstrengungen sind deswegen gerechtfertigt.
Ich muss einkaufen. In unserem Haushalt lebt eine Bartagme und die frisst Heuschrecken. Also auf in den Dehner und Heuschrecken kaufen. Dort stelle ich mich vor dem Eingang in eine Schlange (natürlich Abstand mindestens 2 m), da nur 20 Personen auf einmal im Gebäude sein dürfen. Nun kaufe ich neben Heuschrecken gleich sicherheitshalber Tomaten- und Gurkenpflanzen für mein Gewächshaus. Und falls bald alles schließen muss, packe ich noch Narzissen für die Osterdeko und Kräuter ein. Alle Menschen sind ernst und keiner lächelt. Die Stimmung ist furchtbar.
Im Supermarkt ist es leer. Keine Franzosen. Heute bekomme ich aber Mehl und Haferflocken. Die waren das letzte Mal aus. Auch ich kann mich nicht ganz davon befreien, zur Versorgung von meiner Familie (5 erwachsene Personen) eine Packung mehr als nötig einzupacken. Ich beschließe, heute Nachmittag Apfelkuchen zu backen. Dafür habe ich sonst nie Zeit, denn sonst bin ich ständig unterwegs.
Dann fahre ich zu meinem geliebten Blumenladen: Vera und Gerd von Vera’s Laden in St. Arnual haben mir die letzten Blumen für meine Praxis in die Garage gestellt. Ein kurzes „Hallo“ in einigen Metern Entfernung ist noch drin. Ein trauriger Abschied auf Zeit. Ich habe jetzt ein wunderbares Blumenmeer in meinem Auto und werde versuchen, es ganz lange in mir zu tragen. Blumen sind mir sehr wichtig. Wie kann ich jetzt in der Praxis die Stimmung erhalten? Eigentlich unwichtig?
Der Rest des Tages ist auch bestimmt von Corona: Wir sagen eine Einladung am nächsten Wochenende ab, wir diskutieren über das Vorgehen der Schule unserer Tochter zur Anmeldung zum Abitur, ich telefoniere mit meiner 87-jährigen Mutter in Wiesbaden, der es gut geht und die gut versorgt ist. Ein Besuch ist aktuell nicht möglich. Sehr bedrückend.
Die Zeit nach Corona wird kommen.
Der Abend wird mit einem Film im Familienkreis beendet. Das hatten wir Jahre nicht mehr, weil immer alle unterwegs waren. Wir in der Familie rücken zusammen und das tut gut!