Mein Corona-Tagebuch Mittwoch, 25. März, Tag 23

Es ist alles da

In Frankreich herrscht strenge Ausgangssperre. Auch Einkaufen ist nicht mehr so einfach. Bei uns gibt es grundsätzlich noch alles, wenn auch nicht jeden Tag. Heute ist auf jeden Fall wieder Hefe verfügbar und meine Mitarbeiterin Frau Nadler hat gleich den Nachmittag genutzt und einen Hefekuchen gebacken.

Es wird immer ruhiger. Rezepte und AUs gehen zwischen Plexiglas und Holz über den Tresen. Das Telefon steht nie still und vereinzelt verirrt sich sogar ein Patient wegen Beschwerden in die Praxis. Noch immer kommen auch Hustende zum „Abhören“ ohne jegliche Schutzmaßnahme (ein Tuch oder Schal vor dem Mund würde doch schon reichen!), was mich doch etwas wundert. Das Praxisteam ist aber weiterhin gesund und guter Dinge.

Unsere Patientin mit Coronainfektion ist wieder zuhause und ist dort genauso gut aufgehoben, wie in der Klinik nur viel bequemer. Die Genesung wird noch etwas dauern. Jetzt ist ihr Umfeld in Quarantäne und hat regelmäßigen Kontakt mit dem Gesundheitsamt. Das Ergebnis der Testungen von vor 1 Woche sind noch immer nicht da, die Patienten aber weitgehend genesen.

Heute beschäftigen mich Berichte über die Verhältnisse in Frankreich, speziell in Straßburg sehr. Dort ist die Zahl der Schwerkranken schon dramatisch hoch. In fast allen Fällen trifft es Menschen mit Vorerkrankungen, je älter desto mehr. Bei den Beatmungspflichtigen finden sich gehäuft chronische Erkrankungen wie COPD, Asthma, Pneumonie, Diabetes, Adipositas und Hypertonie. Kinder sind glücklicherweise kaum betroffen. Einige Gespräche mit besorgten Patienten thematisieren dieses persönliche Risikoprofil.

So werden über 80jährige mit schwerer Atemnot nicht mehr beatmet sondern rein palliativ versorgt. Auch wenn man sie noch beatmen würde, ist die Überlebenschance sehr schlecht. Diese Situation wird auch auf uns zukommen. Ich hoffe, nicht zu oft, aber Handlungsempfehlungen liegen schon vor.

Im Angesicht dieser Bedrohung werden in einer bisher undenkbaren Geschwindigkeit im Konsens mit mehreren medizinischen Fachgesellschaften konkrete Empfehlungen gegeben. Und ich bin tief beeindruckt von den klaren Maßnahmen in unseren Kliniken, im Rettungswesen und auch in den Altenheimen. Dort ist die Belastung deutlich höher, als bei uns.

Aufgrund der Überlastung unserer Labore sollen ab jetzt nur noch symptomatische Patienten getestet werden, denn nur dann hat dieser Test eine Konsequenz. Außerdem ist er bei Personen in der kritischen Versorgungsstrukturen indiziert: in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und -diensten, Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr. Sobald Antikörpertests (einfache Blutentnahme) zur Verfügung stehen, können wir nachsehen, ob jemand schon die Infektion durchgemacht hat oder nicht. Das dauert aber noch.

Erfreulich ist, dass sich die Kurve mit den Neuerkrankungen etwas abzuflachen scheint. Das heißt, die Ausbreitungsgeschwindigkeit verlangsamt sich möglicherweise. Ein kleiner Hoffnungsschein!

Übrigens hier ganz besonderen Dank an die Kollegen Thomas Rehlinger und Dr. Michael Kulas der Whatsapp-Gruppe „HÄV-COVID-19 Info“, die mit einem unglaublichen Einsatz uns Hausärzte mit Daten und sonstigen Infos versorgen.

Veröffentlicht von Dr. Claudia Thiel

Ich bin Ärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizinerin. Meine Mission ist es, Menschen zu helfen, durch eine geeignete Ernährung gesund zu bleiben oder Krankheit zu heilen.

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