Mein Corona-Tagebuch Sonntag, 29. März Tag 27

Den Sonntagmorgen starte ich zusammen mit meinem Mann wieder mit einem Waldlauf. Klappt schon besser als vor einer Woche.

Nach dem Frühstück backe ich mit meiner Tochter Vanilleschneckerl nach einem alten Familienrezept der Familie meines Mannes. Zu besonderen Anlässen stand seine Tante bereits morgens um 5.00 Uhr auf, um den Hefeteig zuzubereiten. Der braucht einfach viel Zeit zum Gehen.  Ab dem frühen Nachmittag war das köstliche Backwerk fertig und kam mit selbst gemachter Vanillesoße auf den Tisch.

Normalerweise haben weder meine Tochter noch ich Lust und Muße, viele Stunden in der Küche zu stehen, doch heute ziehen wir das durch. Ich gebe zu, ich habe den Teig schon gestern Abend gemacht, so dass er über Nacht gut gehen und ich ausschlafen kann. Das Ergebnis ist köstlich! Eine Bombe aus Zucker, Eiern und Butter zwar, aber alle sind glücklich. Kleine Verbesserungsvorschläge werden für den nächsten Durchgang bei Fortbestehen der sozialen Isolation gesammelt. Nur Hefe muss ich unbedingt nochmals ergattern.

Nach dieser Corona-Pause kann ich mich wieder den aktuellen Zahlen widmen. In Spanien 17.9% Letalität bei den über 80-Jährigen. Ich habe viele Patienten in dieser Altersgruppe, die ein Patiententestament gemacht haben. Grundsätzlich immer werden darin lebensverlängernde Maßnahmen wie Reanimation und Beatmung abgelehnt. Allerdings unter der Voraussetzung, dass es sich um eine schwere, nicht behandelbare Erkrankung handelt. Bisher dachten wir hier beispielsweise an Krebs oder Demenz. Eine Infektionserkrankung haben wir da nicht auf dem Schirm gehabt. Trotzdem sollten wir das jetzt zum Anlass nehmen, das Patiententestament zu thematisieren. Unter folgendem Link gibt es eine gute Vorlage mit Anleitung: https://www.aerztekammer-saarland.de/patienten/imlnm4b6/patientenverfuegung/

Ich denke, dass besonders ich als Hausärztin, die ihre Patienten meist schon seit Jahren kennt, hier im Notfall einen wichtigen Beitrag leisten muss. In der Presse höre ich immer wieder, dass jetzt in Frankreich über 80-Jährige nicht mehr beatmet werden. Das erschreckt, denn allein das chronologische Alter sagt noch nichts über den Wert des Lebens oder die Lebensqualität aus. Auch nicht über die Aussichten eine schwere Erkrankung mit wenig Folgen zu überleben. Allerdings sind auch Langzeitfolgen bei überstandener schwerer Lungenentzündung zu erwarten, die sicherlich die Fähigkeit zur Selbstversorgung einschränken. Pflegefall möchte niemand sein. Diese Woche wurde dieses sensible Thema intensiv unter Ärzten und den Ethikkomissionen der medizinischen Fachgesellschaften diskutiert.

Viele meiner Patienten über 80 sind biologisch deutlich jünger und einige meiner jüngeren Patienten biologisch deutlich älter. Aber wie sollen wir von Fall zu Fall entscheiden? Besonders wenn im Notdienst der Rettungsdienst oder der Notarzt entscheiden muss, der den Patienten nicht kennt. Es braucht da eine klare Handlungsanweisung.

Umso mehr müssen wir unsere älteren Mitbürger schützten. Auch wenn die aktuellen Maßnahmen gut greifen und wir die Einschränkungen wieder lockerer lassen können, was unbedingt für das Funktionieren unserer Gesellschaft bald sein muss, dann bleibt das Altersproblem bestehen.

Uns Ärzten in den Praxen wäre mit einer ordentlichen Schutzausrüstung schon geholfen, denn wir sind als potentielle Überträger (solange wir nicht selbst Corona durchgemacht haben oder geimpft sind) besonders gefährlich für unsere Patienten. Aber die Schutzausrüstung ist ja wohl schon auf dem Weg. Und falls genug Mundschutz für alle da ist, wird wahrscheinlich das Tragen in der Öffentlichkeit zu einem normalen Bild werden. Zumindest vorübergehend. Das wäre nicht das Schlimmste.

Veröffentlicht von Dr. Claudia Thiel

Ich bin Ärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizinerin. Meine Mission ist es, Menschen zu helfen, durch eine geeignete Ernährung gesund zu bleiben oder Krankheit zu heilen.

2 Kommentare zu „Mein Corona-Tagebuch Sonntag, 29. März Tag 27

  1. Hallo Frau Dr. Thiel. Ich lese iht Tagebuch oft und bin dankbar für den Tipp von heute. Ich werde mir unsere Patientenverfügung nochmal anschauen und sie ergänzen. Eine Bestattungsvorsorge haben wir vor kurzem bei Herrn Kohl, Pietät von Rüden, gemacht. Ich finde das sehr wichtig in unserem Alter.
    Wir sind sehr brav zuhause und werden von unseren Kindern mit Lebensmitteln versorgt. Es geht uns gut. Liebe Grüße von Irma und Karl-Heinz Franz

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