
Wer leidet aktuell unter der Krise am meisten? Anfangs war die Angst und die Unsicherheit Hauptthema. Das hat sich nach meiner Beobachtung geändert. Ich telefoniere täglich mit meiner 87-jährigen Mutter. Jetzt wächst bei ihr zunehmend das Bedürfnis nach persönlicher Nähe, nach Kontakt mit den Kindern und Enkelkindern. Die soziale Isolation ist für sie immer weniger auszuhalten und die gesundheitliche Bedrohung tritt in den Hintergrund. Gleichzeitig besteht auch die Einsicht, dass soziale Distanz weiter notwendig ist. Wie viel geht? Das ist jetzt die entscheidende Frage.
In einer amerikanischen Studie wird genau dieses Thema diskutiert. Dort wird angenommen, dass bis ins Jahr 2022 immer wieder Phasen der sozialen Distanz notwendig sein werden, um das Gesundheitssystem der USA nicht zu überlasten. Eine lange Zeit und was ist die richtige Strategie? Nachher werden wir schlauer sein. Aber aktuell leiden die Alleinstehenden und Älteren am meisten, besonders die Älteren, obwohl sie finanziell abgesichert sind. Deswegen brauchen sie sich wenigstens keine Sorgen zu machen. Die Einsamkeit schildern viele meiner Patienten als sehr bedrückend. Warum leben? Um einsam und verlassen zu sein? Und alleine zu sterben aus Angst vor Infektion?
Es gibt auch einige angenehme Aspekte von Corona. Ich empfinde aktuell die Menschen, die unsere Praxis aufsuchen, als insgesamt viel entspannter und geduldiger, als vor Corona. Ich meine, die Menschen sind rücksichtsvoller und weniger „laut“. Es gibt weniger Dringlichkeitsüberweisungs-Forderungen und Anspruchsdenken. Die bleiben scheinbar zuhause. Das kann von mir aus so bleiben. Den Menschen tut es sichtlich gut, mehr Zeit zu haben. Diejenigen, die es dürfen, rücken zusammen, besonders die Familien. Bei den Jüngeren gibt es durchaus finanzielle Sorgen. Da aber zurzeit alle mehr oder weniger gleichermaßen diese Sorgen haben, wiegt das nicht so schwer. Irgendwie wird es schon weiter gehen.
In einem Gespräch mit meiner Lieblings-Cousine erzählt sie eine Geschichte. Eine ihrer Freundinnen kennt einen Guru. Der wurde gefragt, was in dieser Krise zu tun sei. Er antwortete einfach: „Gehe dahin, wo das Glück ist.“ Meine Cousine packte sofort ihre Malsachen aus (waren seit langem weggeräumt, weil keine Zeit) und malt seitdem wieder. Einige ihrer Bilder hängen in unserem Ernährungszentrum.
“Gehe dahin, wo das Glück ist.”
Ein Guru
Danke für die immer wieder interessanten Beiträge. Wir vermissen unsere Kinder und Enkel sehr. Zum Glück sehen wir im Wechsel Sohn und Tochter wenn die Einkäufe gebracht werden. Aber das ist eigentlich zu wenig. Wir hoffen bald wieder im Garten der Kinder sitzen zu können und zu plaudern. Aber wir sind zu Zweit, das bedeutet: Zu Zweit ist man weniger allein!